Was sind die täglichen Herausforderungen, wenn man Betriebshelfer vermittelt? Wie geht man mit der psychischen Belastung bei schwierigen Fällen um? Was braucht es, um die Betriebshilfe weiter sicherzustellen? Roman Braun, Leiter der Agrarbetreuung vom Maschinenring Oberösterreich, befragt dazu sechs Mitarbeiterinnen, die täglich Probleme wie diese lösen.
Manchmal hört man, man bekäme keinen Betriebshelfer, der Maschinenring kümmere sich nur um Service und Leasing. Stimmt das?
Berta Eckerstorfer: Leider heißt es immer wieder, für Betriebshilfe und die Bauern habe der Maschinenring nicht mehr viel über. Daher war das auch ein Thema in der Agrarklausur der Vorstandsmitglieder. Nun informieren wir den Vorstand bei jedem vermittelten Betriebshilfefall per E-Mail. Alle sollen sehen, dass wir uns reinhängen und Hilfe auf die Beine stellen. Leider fehlt es an Betriebshelfern. Das wollen wir in der Bauernschaft thematisieren. Es muss jedem landwirtschaftlichen Betrieb ein Anliegen sein, dass wir im Maschinenring genug Betriebshelfer haben.
Früher gab es regelmäßig einen Betriebshilfe-Ausschuss im Maschinenring-Vorstand, bei dem die Fälle durchgesprochen wurden. Nun prüft die SVS selbst. Identifiziert sich der Maschinenring ausreichend mit den anstehenden Fällen?
Christine Binder: Ohne Nachbarschaftshilfe, die wir als Maschinenring koordinieren, ließe sich der Bedarf gar nicht decken. Die Feldarbeit ist eine Sache, aber die Stallarbeit macht man in Nachbarschaftshilfe maximal eine Woche mit, dann muss der Betriebshelfer her.
Linda Roitinger: Wir sind in der glücklichen Lage, einige Betriebshelfer zu haben, zusätzlich zu unserer angestellten Betriebshelferin. Diese macht gerade den zehnwöchigen Kursblock im Rahmen der Ausbildung zur Wirtschafts- und Agrar Fachkraft. Einstweilen springe ich selbst ein. Ich steh auf, geh melken, dusch mich, fahr ins Büro und geh am Abend wieder melken. In Notsituationen bringe ich es nicht übers Herz, zu sagen, dass kein Helfer kommen kann. Da will man einfach, dass es geht.
Christine Binder: Ein Beispiel. Karfreitag, ich war krank, das Handy läutet: Ein Milchvieh-Bauer, keine 50, hatte einen Schlaganfall. Nach vielen Telefonaten organisierte ich eine Hilfe, einen fleißigen Otterbach-Schüler, der gerade die Schule abgeschlossen hatte. Er übernahm noch am gleichen Abend das Melken. Kurz darauf klappte die Bäuerin zusammen, der 17-Jährige war allein am Hof. Du weißt, jetzt ist Land unter, und packst zusammen. In diesem Fall ist mein Bruder eingesprungen. Der hat selbst 50 Kühe am Hof und hat trotzdem geholfen.
Was motiviert Menschen, aus eigenem Antrieb zu helfen?
Christine Binder: Das Wissen, dass einem das selbst jederzeit auch passieren kann. Wenn es mich trifft, bin ich froh, wenn mir auch jemand hilft. Und du brauchst sofort eine Lösung. Du kannst den Kühen nicht „heute nicht“ sagen und Kostgeld geben.
Berta Eckerstorfer: Das Vertrauensverhältnis spielt eine ganz wesentliche Rolle. Oft höre ich: „Dir helfe ich, für dich mache ich das jetzt.“ Der Bauer weiß, wenn es ihn erwischt, renne ich auch für ihn. Es ist im Grunde ein Solidaritätsthema.
Wie kommen die Betriebshilfe-Fälle bei euch im Maschinenring herein?
Johanna Waldl: Ganz oft auf falschem Weg. Viele telefonieren sich erst bei der SVS durch, versuchen es mit der „pauschalen Betriebshilfe“, was für die meisten keine Lösung ist und echten administrativen Aufwand mit sich bringt. Irgendwann landen sie bei uns. Ich fahre dann zum Hof und wir füllen den Antrag gemeinsam aus.
Andrea Raab: Die akuten Fälle kommen Tag und Nacht rein, zu jeder Tageszeit. Manchmal rufen die Betriebe selbst an, manchmal die Kinder, die Nachbarn, die Vertreter der Ortsbauernschaft, der Bürgermeister usw. Dann beginnt die Suche: telefonieren, telefonieren, telefonieren. Man hat viel zu erledigen und muss an so viel denken, damit man ja nichts übersieht, zum Beispiel die termingerechten Meldungen an die SVS. Wenn man in der Betriebshilfe arbeitet, sind einem die Leute nicht wurscht.
Ihr kümmert euch um alles vom Melken bis zur Abrechnung?
Christine Binder: Bei uns können Landwirte ihr „Packerl abgeben“, weil sie wissen, dass wir uns kümmern. Mit den Jahren lernt man, wie man in belastenden Situationen trotzdem einen gesunden Abstand hält. Sonst arbeitet es dich auf.
Andrea Raab: Es sind zum Teil schwere Schicksalsschläge: Ein Bauer, ein junger Vater, wurde in der Früh von seiner Frau tot im Stall gefunden, vergiftet von Güllegasen. Das war furchtbar. Ich war froh, dass mit mir auch der Pfarrer bei der Familie war. Der Betrieb läuft aber weiter. Bis zum Abend hatten wir den Betriebshelfer am Hof. Solche Situationen lassen uns emotional nicht so schnell los.
Johanna Waldl: Wir sind da, wir verstehen das Problem und erkennen die Situation in ihrer Tragweite. Das macht uns speziell in Krisensituationen zu Bezugspersonen, denen man sich anvertrauen kann. Oft tut es den Betroffenen auch einfach gut, das Herz ausschütten zu können.
Sieglinde Derntl: Jeder Betriebshilfeeinsatz ist sehr individuell und sollte nach Möglichkeit auf die Bedürfnisse der Leute und die Gepflogenheiten des Betriebes selbst abgestimmt werden. Die Menschen sind meistens in einer Ausnahmesituation und es bedarf einer sehr einfühlsamen Besprechung mit ihnen, besonders bei Unfall und Tod eines Familienangehörigen. Meistens kennt man die betroffenen Leute und es entwickelt sich ein sehr persönliches Gespräch.
Ein Betriebshelfer muss da sein, wenn man ihn braucht. Er muss das machen, was ein Betriebsführer kann – wo findet man Menschen mit solchen Talenten?
Andrea Raab: Geeignete Betriebshelfer waren in den vergangenen Jahren immer Kinder von Landwirten, die bis zur Hofübernahme noch etwas Zeit hatten und sich etwas dazuverdienen wollten. Doch nun machen viele eine Ausbildung und arbeiten bis zur Hofübernahme in dem erlernten Beruf. Das verstehe ich. Junge Menschen möchten Erfahrungen sammeln.
Christine Binder: In einer perfekten Welt würde ich mir eine Gruppe gut ausgebildeter Dienstnehmer wünschen, die langfristig bei uns bleiben und im Akutfall immer greifbar sind. Aber das System muss auch finanzierbar sein.
Johanna Waldl: Betriebshelfer müssen viel können: Melktechniken, Tierhaltung, Maschinen fahren, am besten auch Mechaniker sein. Betriebshelfer findet man immer irgendwie, aber es wird immer schwieriger, den passenden Helfer zu finden.
Ist der Anspruch erfüllbar? Fachkräfte, die Tierhalter und halbe Tierärzte sind, sind nicht auch noch Mechaniker. Umgekehrt gilt das Gleiche. Auch Robotertechnik im Stall und am Feld erfordert enormes Wissen und Erfahrung.
Sieglinde Derntl: Manche Landwirte sind der Meinung, dass ein vom MR gesandter Betriebshelfer eh alles können muss. Es ist aber so, dass auf den Betrieben schon oft individuelle Techniken vorhanden sind und im Rahmen der Nachbarschaftshilfe nicht jeder die neuen bzw. auch alten Techniken können kann. Bei spontanen Einsätzen ist dann die Einschulung oft schwierig.
Linda Roitinger: Nicht nur die Robotertechnik! Bei meinem ersten Einsatz war ich bei einem kleineren Rinderbetrieb mit Anbindehaltung. In solchen Betrieben ist nicht die Technik eine Herausforderung, sondern, sich mit der vorhandenen Ausrüstung zu arrangieren. Vor allem, wenn man es daheim oder in der Schule anders gelernt hat. Außerdem muss man sich mit 20 Jahren das Vertrauen der Betriebsführer erst erarbeiten.